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Von Engeln und Elektroautos

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Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance
Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Von GUIDO BELLBERG

Engel sind eine feine Sache: Frauen ab 40 glauben an Sie, Männer auch, aber nur, wenn eine leicht bekleidete Frau vor ihnen steht und sie zwei Bier zu viel getrunken haben. Außerdem können sie sogar auf Stecknadelköpfen tanzen (die Engel, nicht die Männer). Behaupten jedenfalls diejenigen, die sowieso ganz gerne an unsichtbare Wesen glauben. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Elektroauto-Revolution in Deutschland. Aber hier sind es eher die Männer, die die Existenz dieses ökologisch-ökonomisch-gesellschaftlich-moralisch-technischen Umbruchs hartnäckig beschwören. Und eine Zeit lang sah es auch alles sehr gut aus: Kein Tag ohne Fortschrittsberichte von der Elektroauto-Front, ein schicker Tesla-Store auf dem Berliner Kudamm und jede Menge feierliche Absichtserklärungen unserer Regierenden. Elektroautos waren eindeutig die Engel unter unseren vierrädrigen Freunden: Niemand hat jemals eines fahren sehen, aber alle wollten sie haben (nur nicht bei sich selbst in der Garage).

Leider sind die harten und bösen Fakten, wie so oft, eher ernüchternd. Das einzige Auto, das sich nennenswert verkauft, scheint der Tesla zu sein. Jedenfalls in Kalifornien und Norwegen, wo Elektroautos eine Zeitlang massiv gefördert wurden, also kein echter Wettbewerb herrschte. Auch das Thema „Tesla und Verkaufszahlen“ ist eher wenig vertrauenserweckend, was aber bei echten Fans nichts ausmacht, da diese Elon Musk für den fleischgewordenen Iron Man halten. In der Tat würden wir uns nicht wundern, wenn der charismatische Unternehmer zur nächsten Pressekonferenz im Eisenanzug angeflogen kommt, denn er ist das, was man in der Fachsprache „eine coole Sau“ nennt. Sicherlich kein Fehler, wenn man eine bessere Zukunft verkauft.

Trauriger Fakt ist aber: die Zulassungszahlen für Elektroautos in Deutschland, und auch im entscheidend wichtigen Markt China, sind mehr als ernüchternd.

So ernüchternd, dass unsere eigene Bundesregierung ihr ehrgeiziges Ziel von einer Million Elektroautos, die im Jahr 2020 auf unseren Straßen herumsurren sollen, schon auffällig lange nicht mehr in den Mund nimmt. Das klang 2013 im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD noch ganz anders und zeigt, wie klug unsere Politiker sind, denn aktuell sind nur rund 25.000 Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs, oder zumindest zugelassen.

Im Klartext: das Ziel ist bislang um 98 % verfehlt und wir haben nur noch fünf Jahre Zeit. Da wird es auch nichts nützen die Hybrid-Autos verschämt hinzuzurechnen. Noch klarer ist natürlich, dass die anderen Parteien, besonders jene ist die sich gerne umweltbewusst anstreichen, aber ungern darüber reden, ob Elektroautos überhaupt umweltfreundlich sind, die Koalition bei dem Thema mit Freuden unter Druck setzen und ihr Untätigkeit unterstellen. Die üblichen Forderungen: Mehr Subventionen, größere Steuererleichterungen, megamassives Engagement. Das ist natürlich wenig originell und drückt sich vor eigentlichen Kernfrage: Gibt es für Elektroautos überhaupt einen nennenswerten Markt? Erste Experten äußern bereits den Verdacht, dass die Kernzielgruppe bereits zugeschlagen hat und der Markt für Elektroautos im Prinzip schon gesättigt ist. Die Hersteller müssten jetzt den Sprung in den Massenmarkt schaffen. Das klingt logisch, aber gerade dieser Sprung ist den momentanen Elektroautos eigentlich nicht zuzutrauen. Die Kernprobleme sind – bei allen Umweltengeln – am Ende doch wieder wirtschaftlich. Anschaffungspreis, Kosten je Kilometer und Wertverlust – das sind nur einige der Faktoren, die nach dem Herunterfahren der Subventionen (Norwegen denkt gerade über Kürzungen nach) nun entscheidend sein werden. Und da sieht es in der Tat noch ziemlich finster aus.

Die Deutschen sind ein umweltfreundliches Volk, aber ob Elektroautos am Ende wirklich umweltfreundlich sind – Stichwort ökologischer Fußabdruck – und ob die Erzeugung von Strom am Ende grüner ist als ein Verbrennungsmotor, ist für den Normalbürger in all dem hysterischen Geschrei nur schwer einzuschätzen. Aber genau den Normalbürger müssen Elektroautos auf Dauer ansprechen. Das scheint bislang nicht zu gelingen. Warten wir’s ab und spitzen weiterhin die Ohren. Vielleicht äußert sich unsere Regierung bis 2020 ja noch einmal in aller Klarheit. Oder vielleicht tragen einige Engel laut-klackende Stepschuhe während sie ihren Stecknadelkopf bearbeiten und wir haben endlich einen Beweis für ihre Existenz. Vielleicht hören wir aber auch nur eines der seltenen Elektroautos von hinten heransummen. Sicherer wär’s in jedem Fall.

Den Autor finden Sie auch auf Twitter (@GuidoBellberg) und Amazon.

Der Beitrag Von Engeln und Elektroautos erschien zuerst auf PS.


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